Rezensionen

Kas Bewertung 05 Sterne.png

221 ist genau wie damals Raze, mehr oder weniger geraubt worden. Aufgezogen unter der Knute eines machtbesessenen, georgischen Mafiosi, der an 221, also an Reap, mit einer Droge herum experimentiert, die Menschen zu willenlosen Sklaven macht. So vegetiert Reap, weit entfernt von seinem eigenen Ich, unter dessen Knute. Ihm wird menschenunwürdiges angetan, genauso wie er es unter Droge anderen antut. Parallel sucht Raze, alias Luca, immer noch verzweifelt nach der Person, die seinen Freund und Mentor, Nummer 326, damals in den Gulag gebracht hat. Denn er hat 326 Rache an selbigem geschworen! Als er erfährt, dass 326 einen Zwillingsbruder hat, der ebenfalls als mörderischer Kämpfer missbraucht wird, setzt er alles in seiner Macht stehende daran – sogar entgegen dem Wunsch seines Vaters – um diesen zu befreien, was unwillkürlich Talia auf den Plan ruft.

Talia, die beste Freundin von Kisa, muss unbedingt Abstand zu den Untergrundkämpfen, mit denen die „Familie“ viel Geld verdient, gewinnen. Darum verbringt sie einige Wochen in den Hamptons. Doch plötzlich wird ihre Rückzugsdomizil von ihrem Bruder Luca missbraucht, der einen „Gefangenen“ in den kerkerartigen Keller des Hauses unterbringen lässt. Fasziniert von diesem riesigen, wie wild agierenden Mann, wagt sie sich eines Tages zu ihm in den Keller. Was dann geschieht, ist eine aufreibende, eine emotionale Achterbahnfahrt der Gefühle! Für die Protagonisten und für den Leser!

„Reap – Bis aufs Blut“, der zweite Teil der „Scarred Souls“-Reihe von Tillie Cole, ist ein aufregendes Buch! Ein Buch, das wie bereits sein Vorgänger „Raze – Bis zum Tod“, den Leser an die Grenzen bringt. Die Autorin hat es mitreißend verstanden darzustellen, mit welchen Unsicherheiten Reap alias Zaal zu kämpfen hat, als er nach einem extrem schmerzhaften, kalten Entzug von der Droge abkommt. Viele Jahre gingen für ihn, unter der Gewalt seines „Meisters“, verloren. Ich hegte nicht nur einmal den Wunsch, am liebsten ins Buch zu steigen um dem sogenannten „Meister“ sein fieses Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen. Ein schrecklicher, ein widerwärtig böser Antagonist, der hier gekonnt von der Autorin geschaffen wurde.

Jede Erinnerung Zaals, an seine längst vergangene, liebevolle Kindheit, ist mit Pein verbunden. Das, was zudem bei diesen Flashbacks auf ihn einstürmt, ist gewalttätig und blutig, hat er doch damals nicht nur seine Freiheit verloren. Wäre nicht Talia an seiner Seite, würde er sicher unter dieser Last zerbrechen. Talia sieht sich bei Zaal mit einem Menschen konfrontiert, der im Grunde genommen von dem was er weiß, fast wie ein Kind ist. Denn abgeschirmt von der Außenwelt und nur hervorgeholt, um an ihm zu experimentieren, bzw. ihn in den tödlichen Käfig zu schicken, muss er erst lernen mit den Eindrücken, die auf ihn einstürmen umzugehen. Und dieses Umgehenlernen, dieses Hinterfragen, hat Tillie Cole wunderbar in Szene gesetzt. Es wirkt nicht aufgesetzt und nicht überstürzt, was mir sehr gefallen hat.

Ja, „Reap – Bis aufs Blut“, ist ein sehr gewalttätiges Buch. Umso wunderschöner ist es, dass in dieser von Gewalt geprägten Geschichte eine Liebe zu keimen beginnt, die mich stark berührt hat. Es ist die Gegenüberstellung dieser Gegensätze, die die Geschichten der „Scarred Souls“-Reihe zu etwas Besonderem machen. Ich glaube, die Reihe gehört zu denjenigen, die man entweder sehr sehr gerne liest, oder eben nicht! Ich gehöre definitiv zu ersteren! Ein weiterer Pluspunkt ist in meinen Augen, dass – obwohl es hauptsächlich um Zaal und Talia geht – auch Luca und Kisa eine wichtige Rolle spielen. Denn auch deren Leben geht weiter und das nicht immer leicht! Aufgewühlte 5 Punkte.

Kurz gefasst: „Reap – Bis aufs Blut“ ist ein spannender, emotionaler zweiter Teil mit unverhofften Winkelzügen, der obwohl im selben gesellschaftlichen Milieu angesiedelt ist wie „Raze“, nichtsdestotrotz ein gänzlich andere Geschichte erzählt.