Rezensionen

Nicoles Bewertung 04 Sterne.png

Im neuen Band der Mauerblümchen- Reihe finden nun die junge Evangeline Jenner (ihr Vater Ivo Jenner dürfte den Lesern aus „Roulette des Herzens“ schon ein Begriff sein) und Sebastian, Lord St.Vincent zusammen. Doch ihre Verbindung kommt durch äußerst ungewöhnliche und eher nüchterne Beweggründe zustande.

Ivo Jenner, erfolgreicher Spielsalonbesitzer, liegt im Sterben und Evangeline möchte ihrem Vater wenigstens am Totenbett beistehen. Doch ihre Verwandtschaft will sie nicht zu ihm lassen. Zudem planen sie schon eine Ehe zwischen einem anderen Mitglied der Familie und Evangeline, damit sie sich Jenners beträchtliches Erbe einverleiben können.

Dieser Plan und die brutale Art und Weise wie mit ihr umgegangen wird, lässt Evangeline schlichtweg verzweifeln und so entschließt sie sich eines Abends zu einer kurzentschlossenen, aber verwegenen Tat. Sie sucht Sebastian, Lord St.Vincent auf, der einst ihre beste Freundin entführte. Aus gutem Grund, denn St.Vincent steckte in Geldnöten und erhoffte sich durch die damalige Entführung eine reiche Ehefrau. Doch sein Plan ging schief, Evangelines Freundin wurde durch ihren zukünftigen Ehemann gerettet und vereitelte den Plan damals.

Obwohl Evangeline genau weiß, was Sebastian nach außen hin verkörpert, hofft sie doch auf ein Minimum an Ehrgefühl bei ihm und unterbreitet ihm verzweifelt wie sie ist, ihren Vorschlag. Sebastian soll sie nach Gretna Green entführen, dort heiraten und sie vor ihrer Familie beschützen . Im Gegenzug verspricht sie ihm ihr Erbe. Sebastian ist zwar überrascht von Evangelines Vorschlag, lässt sich jedoch trotzdem darauf ein, denn er braucht nach wie vor Geld.

Während der Fahrt nach Grentna Green lernt Sebastian Evangelines wachen Geist und ihre offene und ehrliche Art zu schätzen; mehr noch, er findet immer mehr Gefallen daran, dass sie seine Frau werden wird. Er ahnt jedoch nicht, welche Schwierigkeiten in London auf das frischgebackene Ehepaar warten. Zum einen ist der Spielsalon von Jenner ziemlich heruntergewirtschaftet und zum anderen ist Evangeline in Gefahr, denn nicht nur ihre Familie will sie entführen um die Ehe mit ihm annullieren zu lassen, auch ein ehemaliger Mitarbeiter des Spielsalons will Evangeline töten.
Kann Sebastian Evangeline retten?

„Es begann in einer Winternacht“, wartet mit einem interessanten Heldenpaar auf. Sebastian ist ein typischer englischer Dandy, der ein eher leichtlebiges, sehr egoistisches Leben führt und sich sehr wenig um die Gefühle anderer schert. Durch sein gutes Aussehen liegen ihm alle Frauen zu Füßen; ein Umstand, den er weidlich ausnutzt. Als ihn Evangeline aufsucht, sieht er sie zunächst nur als Mittel zum Zweck, denn er braucht dringend Geld.

Evangeline ist eine eher schüchterne, junge Frau, die von Kindheit an bei Verwandten groß wurde, die sie unterdrückten und schlugen. Zudem hat sie einen leichten Sprachfehler- sie stottert wenn sie sich aufregt. Dieser Sprachfehler ist einer der Gründe, wieso sie sich bei Bällen in London zurückhält und Männern eher aus dem Wege geht. Durch die auswegslose Situation, in die ihre Familie sie drängen will, ist sie nun aber gezwungen, endlich zu handeln und über ihren Schatten zu springen und sie sieht die einzige Lösung darin, St.Vincent zu überreden, sie zur Frau zu nehmen.

Eine interessante Ausgangssituation hat Lisa Kleypas in diesem Roman geschaffen. Leider gelingt es ihr meiner Meinung nach nur bedingt, Sebastians Wandel vom Egoisten zum besorgten, verliebten Ehemann überzeugend darzustellen. Auch Evangelines Stottern legt sich eine Spur zu schnell. Ich hätte es eigentlich glaubwürdiger gefunden, wenn die Autorin den Sprachfehler ihrer Romanheldin bis zum Ende des Romans beibehalten hätte.

Der Roman als solches ist wie auch andere Kleypasromane auf jeden Fall gutgeschrieben und unterhaltsam. Jedoch gefiel mir die erste Hälfte des Buches etwas besser, sie war durch die überstürzte Reise nach Gretna Green rasanter und das Kennenlernen der beiden Hauptfiguren wurde durch interessante, spritzige Dialoge noch amüsant untermauert.
Doch gleich nach der Ankunft in London begann Lisa Kleypas damit, Sebastian zu schnell umzuformen und ich persönlich habe ab diesem Zeitpunkt seine ironische, spitzbubenhafte Aura, die ihn zuvor umgab, sehr vermisst. Er wurde mir einfach zu schnell zu brav. ;-)

Eine kleine Sache möchte ich jedoch noch kurz anreißen. Der Roman spielt zum größten Teil im Spielsalon von Ivo Jenner. Ich empfand das persönlich als Nachteil, gerade diese Romansequenzen waren mir eine Spur zu langatmig, was wahrscheinlich eher darauf zurückzuführen ist, dass mir Spielsalonsettings in Romanen eher nicht so zusagen. Es wird bestimmt einige Leser geben, die das wiederum wieder völlig anders sehen...

Kurz gefasst: Trotz kleiner Kritikpunkte ein solider, unterhaltsamer Teil der „Mauerblümchen-Reihe“.